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Begegnung mit der Schulsozialberatung

Rubrik: Gesamtschule

Annina Grob, SHP

8. Mai 2025

Gespannt und mit vielen Fragen betrat ich das Büro von Marco Koller – unsere Sozialberatung. Der Raum war mir vertraut, doch der mit Kreide gezeichnete Superman und die Frage «Welche Superkraft könnte dir helfen, dein Problem zu lösen?» zogen meinen Blick auf sich. Gedankenlesen wäre für mich als Schulische Heilpädagogin hilfreich – oder ein Zauberstab, um diesen Zeitungsartikel herbeizuzaubern? Marco unterbrach meine Gedanken und erklärte mir, dass diese Frage darauf abziele, handlungsfähig zu werden und ein Problem umzudeuten («Reframing»), um eine persönliche Herausforderung nicht als «Schwäche», sondern als Chance im Sinne eines Lernfeldes zu verstehen. Gerne hätte ich mehr darüber erfahren, denn einmal mehr war ich von seinem vielseitigen Wissen beeindruckt. Da ich keine Zauberkünste besass, ging ich dennoch meinem Schreibauftrag nach.

 

Von meiner ursprünglichen Idee, über Marcos typischen Arbeitstag zu schreiben, musste ich abkommen, denn jeder Tag ist bei ihm verschieden. Er schafft sich zwar selbst Routinen und entscheidet bewusst, wann er vor Ort ist. Viel passiere aber spontan durch seine Präsenz im Schulhaus, meinte er. Ich erinnerte mich an ein früheres Gespräch in der Mittagspause, woraufhin mir Marco seine professionelle Unterstützung anbot. Allein unsere darauffolgende Terminvereinbarung empfand ich als entlastend: Jemand nimmt sich meinem Problem an und hört mir zu. Seine Beratung half mir, mein Anliegen aktiv anzugehen und dafür bin ich dankbar.

 

Als Marco von seinem Arbeitsalltag sprach, spürte ich sofort: Hier ist jemand mit echter Neugier und tiefem Interesse am Menschen tätig. Ihn interessiere viel mehr der Mensch als einzelne Schulfächer, sagte Marco, der früher selbst als Lehrperson in der Schule Urnäsch tätig war. Jedes Kind, jede Lehrperson, jedes Elternteil bringt individuelle Stärken, Geschichten und persönliche Herausforderungen mit. Seine Aufgabe sieht er darin, Beziehung aufzubauen, Vertrauen zu schaffen und Menschen darin zu bestärken, selbstwirksam zu werden. «Hilfe zur Selbsthilfe» ist sein Leitsatz. In der damaligen Beratungssituation erhoffte ich mir von Marco fertige Lösungen und seine vielen Fragen irritierten mich anfangs. Durch seine gezielte Gesprächsführung fand ich schliesslich selbst für mich passende Lösungsansätze. So konnte ich selbstgestärkt und mit einem positiven Gefühl, selbst etwas verändern zu können, aus dem Gespräch gehen.

Gerade als Marco von «Herzsprung», einem nationalen Präventionsprogramm zur Reduktion häuslicher Gewalt, berichtete, das im März in der 3. Oberstufe durchgeführt wurde, läutete die Pausenglocke. Kurz darauf blickten die ersten Kinder durch das Fenster in sein Büro. Ein mulmiges Gefühl kam in mir auf. Was würden die Schüler*innen denken, wenn sie mich sehen? Marco meinte, es zeige, wie sehr sich Menschen für andere Menschen interessieren. Aber die Stigmatisierung sei eine Herausforderung und führe zu Hemmungen, dass Kinder und Jugendliche Angst haben, das Beratungsangebot zu nutzen. Dabei gehören Herausforderungen zum Zusammenleben in der Schule dazu, das merke er selbst in der eigenen Begleitung seiner Kinder, und sie sind so vielschichtig wie die einzelnen Personen – von stillen Sorgen einzelner Kinder bis zu komplexen Klassendynamiken.

 

Seinen Zukunftswunsch für die Sozialberatung äusserte er klar: «Hilfe holen, Beratung zulassen, eigene Herausforderungen eingestehen und sich diesen stellen, soll selbstverständlicher werden. Wir haben schliesslich alle Stärken und Schwächen und unsere individuellen Herausforderungen. Wir Menschen haben oft das Gefühl, alles allein stemmen zu müssen, um nach aussen stark zu wirken. Aber tut es nicht gut, mit jemandem etwas zu teilen, sich mitzuteilen? Ein wunderschönes Erlebnis wird gerne geteilt, warum nicht auch andere Emotionen wie Trauer, Enttäuschung oder Ärger? Das Ansprechen hilft, negative Gefühle zu akzeptieren. Je mehr ich mich annehmen kann, desto eher kann ich wertschätzen, wer ich bin. Kurz gesagt: Ich wünsche mir, dass sich Menschen trauen, Unterstützung anzunehmen – nicht, weil sie schwach sind, sondern weil sie stark genug sind, bei sich hinzuschauen, sich selbst anzunehmen.» Seine Worte berührten mich, liessen mich nachdenken und ich stimmte nickend zu.

 

Nach dem Gespräch ging ich voller Eindrücke zurück ins Schulzimmer. Gut besass ich keinen Zauberstab, sonst hätte ich all das heute nicht erfahren. Plötzlich klopfte Marco an meiner Tür – er bedankte sich für meine Arbeit. Vielleicht ist genau das seine Superkraft: empathisch, klar in der Kommunikation, wertschätzend und stark in der Beziehungspflege. So wünsche ich mir, dass auch andere Menschen von seinen Superkräften profitieren und bei Bedarf die Schulsozialberatung heranziehen. Ich würde es wieder tun!

 

Annina Grob